Zum Thema der Bereitschaftszeiten für das Fahrpersonal.
von Reinhard Assmann (Kommentare: 0)
Die mit dem Gesetz zur Änderung personalbeförderungsrechtlicher Vorschriften und
arbeitszeitrechtlicher Vorschriften für Fahrpersonal vorgenommenen Änderungen des
Arbeitszeitgesetzes sind am 1. September 2006 in Kraft getreten. Da das
Arbeitszeitgesetz in wesentlichen Teilen bereits zuvor den Vorgaben der EU –
Fahrpersonalrichtlinie entsprach, war nur noch eine Restumsetzung einzelner
Richtlinienbestimmungen erforderlich. Neu in dasArbeitszeitgesetz aufgenommen
wurden die Vorgaben über die wöchentliche Höchstarbeitszeit nach Artikel 4 der
EU Fahrpersonalrichtlinie, die Verpflichtung desArbeitgebers vom
Beschäftigten schriftlichAuskunft über in einem anderenArbeitsverhältnis
geleisteteArbeitszeiten einzuholen sowie die Pflicht desArbeitnehmers, diese
Angaben schriftlich vorzulegen (Artikel 4 der EU-Fahrpersonalrichtlinie).
Ferner wurde die nach der EU Fahrpersonalrichtlinie bestehende Möglichkeit ,
bestimmte Zeitabschnitte, in denen sich die Beschäftigten zurArbeitsaufnahme
bereithalten müssen, nicht als Arbeitszeit zu werten und somit bei der Ermittlung der
Höchstarbeitszeit auszunehmen (Artikel 3 Buchstabe a und b,Artikel 8 der EU –
Fahrpersonalrichtlinie), imArbeitszeitgesetz übernommen. Damit ist die bisherige
Praxis derArbeitszeitflexibilisierung in Form der so genannten Bereitschaftsdienste
für die Beschäftigten im Straßenverkehr weiterhin möglich und zulässig.
Im Unterschied hierzu besteht eine andere Rechtssituation für die Beschäftigten, auf
die die allgemeine EU -arbeitszeitrichtlinie Anwendung findet. Aufgrund der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist Bereitschaftsdienst, der am
'Arbeitsplatz geleistet wird, nach der allgemeinen EU-Arbeitszeitrichtlinie auch dann,
wenn keine Arbeitsleistung erbracht werden muss, ist in vollem Umfang als
Arbeitszeit zu betrachten.
Diese Passage gilt für die Busfahrer.
Arbeitszeitgesetz § 21 a.
DerAbsatz 1 stellt klar, dass diese Spezialbestimmung spezifische Regelungen des
Arbeitszeitschutzes für die Beschäftigten im Straßenverkehr trifft, sofern diese
Straßenverkehrstätigkeit im Sinn der VO (EWG) Nr. 3820/85 bzw. der VO (EG)
561/2006), oder desAETR ausüben. Die neue Regelung des § 21a ArbZG gilt nur für
Beschäftigte, die Straßenverkehrstätigkeiten im Sinne der EWG Verordnung Nr.
3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr
oder des Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr
beschäftigten Fahrer (AETR) ausführen. Erfasst werden damit Fahrer von Lastwagen
mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3.5 Tonnen und Fahrzeuge zur
Personenbeförderung mit mehr als acht Fahrgästen.
Nach § 21 aAbs. 6 Nr. 1 erhalten die Tarif oder Sozialpartner die Befugnis,
durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs oder
Dienstvereinbarung nähere Einzelheiten zu den in Abs. 3 Satz 1 Nr.1 und 2 und
Satz 2 genannten Voraussetzungen zu regeln.
NachAbs. 6 Nr.2 werden die Tarif oder Sozialpartner außerdem dazu
ermächtigt, denAusgleichszeitraum zu Berechnung der wöchentlichen
Höchstarbeitszeit von 48 Stunden von 4 auf maximal 6 Monate zu verlängern.
Die Ermächtigung der Tarif und Sozialpartner vomArbeitszeitgesetz abweichende
Regelungen zu treffen, entspricht einer gesetzestechnischen Tradition des
Arbeitszeitgesetzes (§ 7 ArbZG) und soll praxisnahe Regelungen ermöglichen.
Die Ermächtigung des §Abs. 1 Nr. 2 zur Festlegung eines längeren
Ausgleichszeitraumes für die Berechnung der Wochenhöchstarbeitszeit von
durchschnittlich 48 Stunden findet seine Grundlage inArtikel 8 der EU-
Fahrpersonalrichtlinie, der einen Spielraum für abweichende Regelungen der Tarif
und Sozialpartner in Bezug auf die Wochenarbeitszeit und die Nachtarbeit eröffnet.
Dagegen ist sowohl nach dem Wortlaut als auch aus der Gesetzesbegründung unklar,
was damit gemeint ist, dass die Tarifvertragsparteien gemäß § 6Abs. 1 nähere
Einzelheiten zu denAbs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 2 genannten Voraussetzungen
regelnd dürfen.
Die Ermächtigung bezieht sich auf die Unterfälle des Bereitschaftsdienstes, in
denen sich die Beschäftigten entweder amArbeitsplatz (Abs. 3 Nr. 1) oder an
anderen Stellen als amArbeitsplatz (Abs. 3 Nr. 2) bereithalten muss,
gegebenenfalls erforderlicheArbeiten aufzunehmen.
In beiden Fällen müssen Lage und Dauer der Bereitschaftszeiten im Voraus
bekannt sein (Abs. 3 Satz 2).
Die Klarheit der Bestimmungen und Vorgaben, untere denen Bereitschaftsdienst nicht
als Arbeitszeit anzusehen sind, wirft die Frage auf , worauf sich ein etwaiger
Mobilisierungsbedarf ( damit sind die Einzelheiten und Voraussetzungen) der
Tarifvertragsparteien beziehen soll und darf.
Im Sinne einer europakonformen Auslegung dürfte der Spielraum der
Tarifpartner, den der Gesetzgeber mit Abs. 6 Nr. 1 geschaffen hat, nicht allzu
weit gehen.
NachArtikel 8 der EU-Fahrpersonalrichtlinie besteht ein Spielraum für
abweichende Regelungen der Tarif und Sozialpartner grundsätzlich nur in
Bezug auf die Wochenarbeitszeit und die Nachtarbeit.
Soweit Artikel 3 Buchstabe b) der EU-Fahrpersonalrichtlinie hinsichtlich des
Bereitschaftsdienstes auf die durch die Sozialpartner ausgehandelten und festgelegten
Bedingungen verweist, können diese jedoch nur den zeitlichenAspekt des
Zeitpunktes, wann dem Fahrpersonal „Bereitschaftszeiten“ bekannt sein müssen,
betreffen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 3 Buchstabe b), erster
Spiegelstrich, Unterabsatz 2 der EU-Fahrpersonalrichtlinie.
Danach ist unabdingbare Voraussetzung, dass diese Zeiten (d.h.
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Bereitschaftszeiten) nach Zeitpunk und Umfang dem Fahrpersonal im Voraus
bekannt sind.
Lediglich hinsichtlich des Zeitpunktes der Bekanntgabe an das Fahrpersonal
besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum, nämlich entweder vor derAbfahrt
bzw. des betreffenden Zeitraumes oder gemäß den allgemeinen zwischen den
Sozialpartnern ausgehandelten (?) und festgelegten Bedingungen.
Eine Betrachtungsweise, die etwa darauf hinausläuft, dass die Tarifpartner dazu
berechtigt sein könnten, von den Bestimmungen derArbeits-bzw. Bereitschaftszeit
gemäßArtikel 3 Buchstabe a und b der EU-Fahrpersonalrichtlinie 2002/15 EG
abzuweichen, begegnet gemeinschaftsrechtlichen Bedenken.
Denn spätestens seit der Entscheidung des EuGH vom 9. September 2003 in der
Rechtssache Jäger (C-151/02) ist klar, dass gemeinschaftsrechtliche Begriffe wie
Arbeits- und Bereitschaftszeiten gemeinschaftsrechtlich anhand objektiver Kriterien
unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs auszulegen sind und nicht
durch die Mitgliedsstaaten einseitig festgelegt werden können.
Zusätzlich kann es für das Fahrpersonal bei einer Unterwegkontrolle im europäischen
Nachbarländern zu erheblichen Problemen kommen.
Weder in Frankreich noch in anderen Nachbarländern gibt es derartige
Gesetzesregelungen wie in der Bundesrepublik Deutschland,zumindest gibt es
darüber keine offiziellen Informationen von Seiten der EU.
Diese Möglichkeiten sind zwar in der 2002/15/EG den Sozialpartnern eingeräumt, ja,
nur wie sehen diese Regelungen in den jeweiligen Staaten aus?
So können die Fahrer die sich im Glauben befinden an Recht gehalten zu haben, in
diesen Ländern zu erheblichen Strafen herangezogen werden.
Hinweis: 561/2006/EG,Artikel 19,Artikel 22,
561/2006/EG,Artikel 22,
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Unter dem Punkt a ist das beschrieben was zu dieser Diskussion geführt hat.
Der Fahrer steht am Großlager und wartet auf das Signal das er abladen kann.
Arbeitszeit ist: die Zeiten , während deren das Fahrpersonal nicht frei über seine Zeit
verfügen kann und sich an seinemArbeitsplatz bereithalten muss, seine normale
Arbeit aufzunehmen, wobei es bestimmte mit dem Dienst verbundene Aufgaben
ausführt, insbesondere während der Zeit des Wartens auf das Be- und Entladen, wenn
deren voraussichtliche Dauer nicht im Voraus bekannt ist, d.h. Entweder vor der
Abfahrt bzw. unmittelbar vor dem tatsächlichen Beginn des betreffenden Zeitraums
oder gemäß den allgemeinen zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten und/oder
durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen.
Nun muss ich mit Bedauern feststellen, dass in den letzten Jahren von den
Sozialpartnern in dieser wichtigen Sache überlautes Schweigen zu vernehmen war.
Mir sind keinerlei Regelungen der Sozialpartner in dieser Sache bekannt. So gelten
nach meiner Rechtsauffassung nach wie vor die Vorgaben der 2002/15/EG.
Mit freundlichen Grüßen
ReinhardAßmann